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Sonntag, 19. Mai 2013

Studirzimmer. 7 Faust. Mephistopheles.

Inhaltsangabe
 Die zweite Szene spielt wieder im Studirzimmer. Diesmal erscheint Mephisto in seiner menschlichen Gestalt. Faust und Mephisto unterhalten sich. Faust ist ein wenig über die Allwissenheit von Mephisto erstaunt, aber dieser gibt Faust verstehen, dass er bald eine gute Zeit haben wird. Mephisto und Faust treffen eine Abmachung: Faust soll auf der Erde in den Genuss aller möglichen Freuden kommen, dafür soll seine Seele Mephisto im Jenseits gehören. Die Gespräche zwischen den beiden drehen sich um die kommende Zeit, bei der Faust keine Genüsse verschlossen bleiben werden. Mephisto maskiert sich als Faust, als dann dessen Schüler auftaucht. Der Schüler bewirbt sich bei Faust um eine Stelle als Schüler, Mephisto philosophiert mit ihm über die verschiedenen Wissenschaften. Schließlich wollen sie sich auf machen zu den Abenteuern.
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Personen
  • Mephisto
  • Faust 
  • Schüler

Interpretation des Kapitel
In der zweiten Szene, die im Studierzimmer spielt, trift Faust erneut auf Mephisto. Dieser stellt ihm die reichlichen Genüsse in Aussicht, die Faust erwarten, wenn es mit der Abmachung losgeht. Mephisto freut sich darauf sein ganzes Können zu zeigen. Auch hier wird wieder ein Pakt geschlossen, eine Abmachung. Nur diesmal nicht zwischen Gott und dem Teufel, sondern zwischen Faust und dem Höllenfürsten Mephisto. Dieser Pakt ist der Inbegriff der Verführung, ist Faust doch bereit für ein paar irdische Freuden die unsterbliche Seele an den Teufel zu verkaufen - genau dies ist es wovor sich die Christen immer bewahren möchten. In dem Gespräch mit dem Schüler wird deutlich welche Wissenschaften es zur damaligen Zeit gab. Auch spiegelt es das Verständnis der Wissenschaften im Kontext zur Zeit und zu Goethes Bild. Auch in diesem Kapitel zeigt sich wieder die Sehnsucht von Faust: Er möchte gerne leben, auch wenn es nicht seinem bisherigen Sein entspricht. Er hat unglaubliche Sehnsucht danach das Leben in seiner Fülle auszuschöpfen. Diese Sehnsucht ist typisch für den Sturm und Drang, wo die Dichter sich nach Gefühlen und Leidenschaften sehnen, nicht so sehr nach Wissen und Bücherwissen.

Studirzimmer.

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Faust. Mephistopheles.
Faust.
1530
Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?

Mephistopheles.
Ich bin’s.

Faust.
 Herein!

Mephistopheles.
 Du mußt es dreymal sagen.




Faust.
Herein denn!

Mephistopheles.
 So gefällst du mir.
Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen;
Denn dir die Grillen zu verjagen
1535
Bin ich, als edler Junker, hier,
In rothem goldverbrämtem Kleide,
Das Mäntelchen von starrer Seide,
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, spitzen Degen,
1540
Und rathe nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
Damit du, losgebunden, frey,
Erfahrest was das Leben sey.


 Faust freut sich Mephisto wieder zu sehen, dieser gibt an ihm die Verrücktheiten ( = Die Grillen) zu vertreiben, Mephisto erklärt wie er sich hergerichtet hat.
Faust.
In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein
1545
Des engen Erdelebens fühlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu seyn.
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
1550
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Nur mit Entsetzen wach’ ich Morgens auf,
1555
Ich möchte bittre Thränen weinen,
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf
Nicht Einen Wunsch erfüllen wird, nicht Einen,
Der selbst die Ahndung jeder Lust
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
1560
Die Schöpfung meiner regen Brust
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
Mich ängstlich auf das Lager strecken,
Auch da wird keine Rast geschenkt,
1565
Mich werden wilde Träume schrecken.
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen,
Der über allen meinen Kräften thront,
Er kann nach außen nichts bewegen;
1570
Und so ist mir das Daseyn eine Last,
Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.

Faust gibt an das er es leid ist immer nur zu verzichten und das er keine Lust mehr hat immer zurück zu stecken

Mephistopheles.
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.

Faust.
O seelig der! dem er im Siegesglanze
Die blut’gen Lorbeern um die Schläfe windet,
1575
Den er, nach rasch durchras’tem Tanze,
In eines Mädchens Armen findet.
O wär’ ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzückt, entseelt dahin gesunken!

Mephistopheles.
Und doch hat Jemand einen braunen Saft,
1580
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.

Faust.
Das Spioniren, scheint’s, ist deine Lust.

Mephistopheles.
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.

Mephisto gibt an nicht allwissend zu sein, doch weiß er von Fauts Selbstmordversuch den er nicht bis zum Ende durchgezogen hat
Faust.
Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
Ein süß bekannter Ton mich zog,
1585
Den Rest von kindlichem Gefühle
Mit Anklang froher Zeit betrog;
So fluch’ ich allem was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhöle
1590
Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!
Verflucht voraus die hohe Meinung,
Womit der Geist sich selbst umfängt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drängt!
1595
Verflucht was uns in Träumen heuchelt,
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
Verflucht was als Besitz uns schmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht sey Mammon, wenn mit Schätzen
1600
Er uns zu kühnen Thaten regt,
Wenn er zu müßigem Ergetzen
Die Polster uns zurechte legt!
Fluch sey dem Balsamsaft der Trauben!
Fluch jener höchsten Liebeshuld!
1605
Fluch sey der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
Und Fluch vor allen der Geduld!

Er verlucht das Geld, die Liebe, die Hoffnung und den Glauben, auch die Geduld verflucht er

Geisterchor unsichtbar.
     Weh! weh!
     Du hast sie zerstört,
     Die schöne Welt,
1610
     Mit mächtiger Faust,
     Sie stürzt, sie zerfällt!
     Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
     Wir tragen
     Die Trümmern ins Nichts hinüber,
1615
     Und klagen
     Ueber die verlorne Schöne.
     Mächtiger
     Der Erdensöhne,
     Prächtiger
1620
     Baue sie wieder,
     In deinem Busen baue sie auf!
     Neuen Lebenslauf
     Beginne,
     Mit hellem Sinne,
1625
     Und neue Lieder
     Tönen darauf!

Geisterchor kommentiert das Gesagte, Faust solle noch einmal neu beginnen

Mephistopheles.
     Dies sind die kleinen
     Von den Meinen.
     Höre, wie zu Lust und Thaten
1630
     Altklug sie rathen!
     In die Welt weit,
     Aus der Einsamkeit,
     Wo Sinnen und Säfte stocken,
     Wollen sie dich locken.

1635
Hör’ auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geyer, dir am Leben frißt;
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist’s nicht gemeynt
1640
Dich unter das Pack zu stoßen.
Ich bin keiner von den Großen;
Doch willst du, mit mir vereint,
Deine Schritte durchs Leben nehmen;
So will ich mich gern bequemen,
1645
Dein zu seyn, auf der Stelle.
Ich bin dein Geselle
Und, mach ich dir’s recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!

Mephisto bietet sich Faust als Knecht an.

Faust.
Und was soll ich dagegen dir erfüllen?

Mephistopheles.
1650
Dazu hast du noch eine lange Frist.
Faust.
Nein nein! der Teufel ist ein Egoist
Und thut nicht leicht um Gottes Willen
Was einem andern nützlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
1655
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.

Faust ist sich dem Spiel mit dem Feuer durchaus bewußt

Mephistopheles.
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben wieder finden,
So sollst du mir das Gleiche thun.

Mephisto bietet an hier sein Knecht zu sein ( auf der Erde) fordert dafür die Seele von Faust

Faust.
1660
Das Drüben kann mich wenig kümmern,
Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,
Die andre mag darnach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
1665
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag was will und kann geschehn.
Davon will ich nichts weiter hören,
Ob man auch künftig haßt und liebt,
Und ob es auch in jenen Sphären
1670
Ein Oben oder Unten giebt.

Faust kümmert nur das hier und jetzt ist dem Plan von  Mephisto nicht abgeneigt

Mephistopheles.
In diesem Sinne kannst du’s wagen.
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
Mit Freuden meine Künste sehn,
Ich gebe dir was noch kein Mensch gesehn.

Er verspricht ihm die Freuden, die noch kein Mensch gesehen hat

Faust.
1675
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von deines Gleichen je gefaßt?
Doch hast du Speise die nicht sättigt, hast
Du rothes Gold, das ohne Rast,
1680
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bey dem man nie gewinnt,
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Aeugeln schon dem Nachbar sich verbindet,
Der Ehre schöne Götterlust,
1685
Die, wie ein Meteor, verschwindet.
Zeig mir die Frucht die fault, eh’ man sie bricht,
Und Bäume die sich täglich neu begrünen!
Faust fragt sich was Mephisto ihm zu geben hätte


Mephistopheles.
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
1690
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran
Wo wir was Gut’s in Ruhe schmausen mögen.

Mephisto akzeptiert die Herausforderung

Faust.
Werd’ ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sey es gleich um mich gethan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
1695
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen;
Das sey für mich der letzte Tag!
Die Wette biet’ ich!

Mephistopheles.
 Top!

Faust.
 Und Schlag auf Schlag!
Werd’ ich zum Augenblicke sagen:
1700
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zu Grunde gehn!
Dann mag die Todtenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frey,
1705
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sey die Zeit für mich vorbey!

Sie machen eine Wette ab, nach der Faust jeder Augenblick schön ist und er wunderbare Erlebnisse hat, aber sobald er stirbt gehört die Seele dem Teufel

Mephistopheles.
Bedenk’ es wohl, wir werden’s nicht vergessen.

Faust.
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
1710
Wie ich beharre bin ich Knecht,
Ob dein, was frag’ ich, oder wessen.

Mephisto fragt ob Faust sicher sei, dieser ist sich ganz sicher es genau so zu wollen

Mephistopheles.
Ich werde heute gleich, beym Doctorschmaus,
Als Diener, meine Pflicht erfüllen.
Nur eins! – um Lebens oder Sterbens willen,
1715
Bitt’ ich mir ein paar Zeilen aus.

Faust.
Auch was geschriebnes forderst du Pedant?
Hast du noch keinen Mann, nicht Mannes-Wort gekannt?
Ist’s nicht genug, daß mein gesprochnes Wort
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
1720
Ras’t nicht die Welt in allen Strömen fort,
Und mich soll ein Versprechen halten?
Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,
Wer mag sich gern davon befreyen?
Beglückt, wer Treue rein im Busen trägt,
1725
Kein Opfer wird ihn je gereuen!
Allein ein Pergament, beschrieben und beprägt,
Ist ein Gespenst vor dem sich alle scheuen.
Das Wort erstirbt schon in der Feder,
Die Herrschaft führen Wachs und Leder.
1730
Was willst du böser Geist von mir?
Erz, Marmor, Pergament, Papier?
Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?
Ich gebe jede Wahl dir frey.

Mephisto will etwas schriftliches haben, das die Abmachung der beiden Vertragspartner besiegelt. Faust reagiert zunächst mit Unverständnis auf diese Forderung

Mephistopheles.
Wie magst du deine Rednerey
1735
Nur gleich so hitzig übertreiben?
Ist doch ein jedes Blättchen gut.
Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.

Faust.
Wenn dieß dir völlig G’nüge thut,
So mag es bey der Fratze bleiben.

Mephistopheles.
1740
Blut ist ein ganz besondrer Saft.
[109]
Faust.
Nur keine Furcht, daß ich dieß Bündniß breche!
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist g’rade das was ich verspreche.
Ich habe mich zu hoch gebläht,
1745
In deinen Rang gehör’ ich nur.
Der große Geist hat mich verschmäht,
Vor mir verschließt sich die Natur.
Des Denkens Faden ist zerrissen,
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
1750
Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns glühende Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhüllen
Sey jedes Wunder gleich bereit!
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit
1755
In’s Rollen der Begebenheit!
Da mag denn Schmerz und Genuß,
Gelingen und Verdruß,
Mit einander wechseln wie es kann;
Nur rastlos bethätigt sich der Mann.


Faust soll das Abkommen nmit einem Tropfen Blut gesiegeln, er reagiert mit Unverstehen, aber will sich dringend verändern.

Mephistopheles.
1760
Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt.
Beliebt’s euch überall zu naschen,
Im Fliehen etwas zu erhaschen;
Bekomm’ euch wohl was euch ergetzt.
Nur greift mir zu und seyd nicht blöde!

Mephisto lockt ihn weiter mit allen möglichen Genüssen

Faust.
1765
Du hörest ja, von Freud’ ist nicht die Rede.
Dem Taumel weih’ ich mich, dem schmerzlichsten Genuß,
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,
1770
Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst genießen,
Mit meinem Geist das Höchst’ und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
1775
Und, wie sie selbst, am End’ auch ich zerscheitern.

Faust hat keinen Wissensdurst mehr, vielmehr verspürt er den Durst nach Leben, ist bereit für die Lebendigkeit auch zu leiden ( schmerzlichen Genuß )und möchte alles in voller Fülle fühlen ( typisch Sturm und Drang)

Mephistopheles.
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut,
Daß von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
1780
Glaub’ unser einem, dieses Ganze
Ist nur für einen Gott gemacht!
Er findet sich in einem ew’gen Glanze,
Uns hat er in die Finsterniß gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.

Faust.
1785
Allein ich will!

Mephistopheles.
 Das läßt sich hören!
Doch nur vor Einem ist mir bang’;
Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.
Ich dächt’, ihr ließet euch belehren.
Associirt euch mit einem Poeten,
1790
Laßt den Herrn in Gedanken schweifen,
Und alle edlen Qualitäten
Auf euren Ehren-Scheitel häufen,
Des Löwen Muth,
Des Hirsches Schnelligkeit,
1795
Des Italiäners feurig Blut,
Des Nordens Dau’rbarkeit.
Laßt ihn euch das Geheimniß finden,
Großmuth und Arglist zu verbinden,
Und euch, mit warmen Jugendtrieben,

1800
Nach einem Plane, zu verlieben.
Möchte selbst solch einen Herren kennen,
Würd’ ihn Herrn Mikrokosmus nennen.

Mephisto traut Fausts begehren nicht

Faust.
Was bin ich denn? wenn es nicht möglich ist
Der Menschheit Krone zu erringen,
1805
Nach der sich alle Sinne dringen.

Mephistopheles.
Du bist am Ende – was du bist.
Setz’ dir Perrücken auf von Millionen Locken,
Setz’ deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer was du bist.

Faust.
1810
Ich fühl’s, vergebens hab’ ich alle Schätze
Des Menschengeist’s auf mich herbeygerafft,
Und wenn ich mich am Ende niedersetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
Ich bin nicht um ein Haar breit höher,
1815
Bin dem Unendlichen nicht näher.

Faust erkennt, dass er bisher vergeblich gelebt hat, bzw viel nach Wissen gestrebt hat, das aber nicht viel gebracht hat

Mephistopheles.
Mein guter Herr, ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
Wir müssen das gescheidter machen,
Eh’ uns des Lebens Freude flieht.
1820
Was Henker! freylich Händ’ und Füße
Und Kopf und H – –[3] die sind dein;
Doch alles was ich frisch genieße,
Ist das drum weniger mein?
Wenn ich sechs Hengste zahlen kann,
1825
Sind ihre Kräfte nicht die meine?
Ich renne zu und bin ein rechter Mann,
Als hätt’ ich vier und zwanzig Beine.
Drum frisch! laß alles Sinnen seyn,
Und g’rad’ mit in die Welt hinein!
1830
Ich sag’ es dir: ein Kerl der speculirt,
Ist wie ein Thier, auf dürrer Heide
Von einem bösen Geist im Kreis herum geführt,
Und rings umher liegt schöne grüne Weide.

Faust.
Wie fangen wir das an?

Mephisto ermuntert Faust die Freuden in Anspruch zu nehmen den
Mephistopheles.
 Wir gehen eben fort.
1835
Was ist das für ein Marterort?
Was heißt das für ein Leben führen,
Sich und die Jungens ennuyiren?
Laß du das dem Herrn Nachbar Wanst!
Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?
1840
Das beste, was du wissen kannst,
Darfst du den Buben doch nicht sagen.
Gleich hör’ ich einen auf dem Gange!

Faust.
Mir ist’s nicht möglich ihn zu sehn.

Mephistopheles.
Der arme Knabe wartet lange,
1845
Der darf nicht ungetröstet gehn.
Komm, gib mir deinen Rock und Mütze;
Die Maske muß mir köstlich stehn.
Er kleidet sich um.
Nun überlaß es meinem Witze!
Ich brauche nur ein Viertelstündchen Zeit;
1850
Indessen mache dich zur schönen Fahrt bereit!
Faust ab.

Mephisto fordert Faust auf sich bereit zu machen, er will gleich mit Faust los, aber zuvor will er den schon lange wartenden Schüler empfangen

Mephistopheles
in Faust’s langem Kleide.
Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
1855
So hab’ ich dich schon unbedingt –
Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
Und dessen übereiltes Streben
Der Erde Freuden überspringt.
1860
Den schlepp’ ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis’ und Trank vor gier’gen Lippen schweben;
1865
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
Und hätt’ er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müßte doch zu Grunde gehn!

Mephisto freut sich Faust in seinen Fängen zu haben, hat sich als Faust verkleidet.
Ein Schüler tritt auf.
Schüler.
Ich bin alhier erst kurze Zeit,
Und komme voll Ergebenheit,
1870
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,
Den alle mir mit Ehrfucht nennen.
[116]
Mephistopheles.
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt ihr euch sonst schon umgethan?

Schüler.
1875
Ich bitt’ euch, nehmt euch meiner an!
Ich komme mit allem guten Muth,
Leidlichem Geld und frischem Blut;
Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;
Möchte gern’ was rechts hieraußen lernen.

Mephistopheles.
1880
Da seyd ihr eben recht am Ort.

Schüler.
Aufrichtig, möchte schon wieder fort:
In diesen Mauern, diesen Hallen,
Will es mir keineswegs gefallen.
Es ist ein gar beschränkter Raum,
1885
Man sieht nichts Grünes, keinen Baum,
Und in den Sälen, auf den Bänken,
Vergeht mir Hören, Seh’n und Denken.

Der Schüler bewirbt sich bei Faust da er hier etwas lernen iwll. Er fühlt sich aber nicht recht owhl in dem dunklen Raum

Mephistopheles.
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
So nimmt ein Kind der Mutter Brust
1890
Nicht gleich im Anfang willig an,
Doch bald ernährt es sich mit Lust.
So wird’s euch an der Weisheit Brüsten
Mit jedem Tage mehr gelüsten.

Schüler.
An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;
1895
Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen?

Mephistopheles.
Erklärt euch, eh’ ihr weiter geht,
Was wählt ihr für eine Facultät?

Schüler.
Ich wünschte recht gelehrt zu werden,
Und möchte gern, was auf der Erden
1900
Und in dem Himmel ist, erfassen,
Die Wissenschaft und die Natur.

Mephistopheles.
Da seyd ihr auf der rechten Spur;
Doch müßt ihr euch nicht zerstreuen lassen.

Mephisto als Faust erklärt dem Schüler, dass sich dieser daran gewöhnen wird wie kark die Räume sind und fragt was er lernen wolle, der Schüler gibt an Naturwissenschaft studieren zu wollen.
Schüler.
Ich bin dabey mit Seel’ und Leib;
1905
Doch freylich würde mir behagen

Ein wenig Freyheit und Zeitvertreib,
An schönen Sommerfeiertagen.

Der Schüler möchte auch ein wenig Freizeit haben, besonders im Sommer

Mephistopheles.
Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
Doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen.
1910
Mein theurer Freund, ich rath’ euch drum
Zuerst Collegium Logicum.
Da wird der Geist euch wohl dressirt,
In spanische Stiefeln eingeschnürt,
Daß er bedächtiger so fort an
1915
Hinschleiche die Gedankenbahn,
Und nicht etwa, die Kreuz’ und Quer,
Irlichtelire hin und her.
Dann lehret man euch manchen Tag,
Daß, was ihr sonst auf einen Schlag
1920
Getrieben, wie Essen und Trinken frey,
Eins! Zwey! Drey! dazu nöthig sey.
Zwar ist’s mit der Gedanken-Fabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstück,
Wo Ein Tritt tausend Fäden regt,
1925
Die Schifflein herüber hinüber schießen,
Die Fäden ungesehen fließen,

Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt:
Der Philosoph der tritt herein,
Und beweis’t euch, es müßt’ so seyn:
1930
Das Erst’ wär’ so, das Zweyte so,
Und drum das Dritt’ und Vierte so;
Und wenn das Erst’ und Zweyt’ nicht wär’,
Das Dritt’ und Viert’ wär’ nimmermehr.
Das preisen die Schüler allerorten,
1935
Sind aber keine Weber geworden.
Wer will was lebendig’s erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
Dann hat er die Theile in seiner Hand,
Fehlt leider! nur das geistige Band.
1940
Encheiresin naturae nennt’s die Chimie,
Spottet ihrer selbst und weiß nicht wie.

Benennt verschiedene Wissensgebiete

Schüler.
Kann euch nicht eben ganz verstehen.

Mephistopheles.
Das wird nächstens schon besser gehen,
Wenn ihr lernt alles reduciren
1945
Und gehörig klassificiren.

Schüler.
Mir wird von alle dem so dumm,
Als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum.

Mephistopheles.
Nachher vor allen andern Sachen
Müßt ihr euch an die Metaphysik machen!
1950
Da seht, daß ihr tiefsinnig faßt,
Was in des Menschen Hirn nicht paßt;
Für, was drein geht und nicht drein geht,
Ein prächtig Wort zu Diensten steht.
Doch vorerst dieses halbe Jahr
1955
Nehmt ja der besten Ordnung wahr.
Fünf Stunden habt ihr jeden Tag;
Seyd drinnen mit dem Glockenschlag!
Habt euch vorher wohl präparirt,
Paragraphos wohl einstudirt,
1960
Damit ihr nachher besser seht,
Daß er nichts sagt, als was im Buche steht;
Doch euch des Schreibens ja befleißt,
Als dictirt’ euch der Heilig’ Geist!

Mephisto gibt an der Schüler solle auch Chemie lernen, gibt einen Wochenplann
Schüler.
Das sollt ihr mir nicht zweymal sagen!

1965
Ich denke mir wie viel es nützt;
Denn, was man schwarz auf weiß besitzt,
Kann man getrost nach Hause tragen.

Mephistopheles.
Doch wählt mir eine Facultät!

Schüler.
Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.

Der Schüler ist noch immer ratlos welche Fakutlät er nehmen soll
Mephistopheles.
1970
Ich kann es euch so sehr nicht übel nehmen,
Ich weiß wie es um diese Lehre steht.
Es erben sich Gesetz’ und Rechte
Wie eine ew’ge Krankheit fort,
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
1975
Und rücken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohlthat Plage;
Weh dir, daß du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist leider! nie die Frage.

Schüler.
1980
Mein Abscheu wird durch euch vermehrt.
O glücklich der! den ihr belehrt!
Fast möcht’ ich nun Theologie studiren.

Schüler erwägt Theologie zu studieren
 
Mephistopheles.
Ich wünschte nicht euch irre zu führen.
Was diese Wissenschaft betrifft,
1985
Es ist so schwer den falschen Weg zu meiden,
Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,
Und von der Arzeney ists kaum zu unterscheiden.
Am besten ist’s auch hier, wenn ihr nur Einen hört,
Und auf des Meisters Worte schwört.
1990
Im Ganzen – haltet euch an Worte!
Dann geht ihr durch die sichre Pforte
Zum Tempel der Gewißheit ein.

Schüler.
Doch ein Begriff muß bey dem Worte seyn.

Mephistopheles.
Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen;
1995
Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt sich trefflich glauben,
2000
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.
[]
Schüler.
Verzeiht, ich halt’ euch auf mit vielen Fragen,
Allein ich muß euch noch bemüh’n.
Wollt ihr mir von der Medicin
Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?
2005
Drey Jahr’ ist eine kurze Zeit,
Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.
Wenn man einen Fingerzeig nur hat,
Läßt sich’s schon eher weiter fühlen.

Der Schüler erwägt auch ein Medizin Studium

Mephistopheles für sich.
Ich bin des trocknen Tons nun satt,
2010
Muß wieder recht den Teufel spielen.
Laut.
Der Geist der Medicin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudirt die groß’ und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie’s Gott gefällt.
2015
Vergebens daß ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.
Ihr seyd noch ziemlich wohlgebaut,
[124]
2020
An Kühnheit wird’s euch auch nicht fehlen,
Und wenn ihr euch nur selbst vertraut,
Vertrauen euch die andern Seelen.
Besonders lernt die Weiber führen;
Es ist ihr ewig Weh und Ach
2025
So tausendfach
Aus Einem Puncte zu curiren,
Und wenn ihr halbweg ehrbar thut,
Dann habt ihr sie all’ unter’m Hut.
Ein Titel muß sie erst vertraulich machen,
2030
Daß Eure Kunst viel Künste übersteigt;
Zum Willkomm’ tappt ihr dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht,
Versteht das Pülslein wohl zu drücken,
Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,
2035
Wohl um die schlanke Hüfte frey,
Zu seh’n, wie fest geschnürt sie sey.

Mephisto gibt an das man bei der Medizin ohnehin in Gottes Hand sei. Kritisiert die Medizin
Schüler.
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch wo und wie.

Mephistopheles.
Grau, theurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldner Baum.
[125]
Schüler.
2040
Ich schwör euch zu, mir ist’s als wie ein Traum.
Dürft’ ich euch wohl ein andermal beschweren,
Von eurer Weisheit auf den Grund zu hören?

Mephistopheles.
Was ich vermag, soll gern geschehn.

Schüler.
Ich kann unmöglich wieder gehn,
2045
Ich muß euch noch mein Stammbuch überreichen,
Gönn’ Eure Gunst mir dieses Zeichen!

Mephistopheles.
Sehr wohl.
Er schreibt und giebt’s.
Schüler lies’t.
Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.
Macht’s ehrerbietig zu und empfiehlt sich.
Mephisto trägt sich in das Stammbuch ein und der Schüler geht wieder
Mephistopheles.
Folg’ nur dem alten Spruch und meiner Muhme der Schlange,
2050
Dir wird gewiß einmal bey deiner Gottähnlichkeit bange!

Mephisto missfällt die Gottesähnlichkeit , will gehen
Faust tritt auf.
Faust.
Wohin soll es nun gehn?
[126]
Mephistopheles.
 Wohin es dir gefällt.
Wir sehn die kleine, dann die große Welt.
Mit welcher Freude, welchem Nutzen,
Wirst du den Cursum durchschmarutzen!

Faust.
2055
Allein bey meinem langen Bart
Fehlt mir die leichte Lebensart.
Es wird mir der Versuch nicht glücken;
Ich wußte nie mich in die Welt zu schicken,
Vor andern fühl’ ich mich so klein;
2060
Ich werde stets verlegen seyn.

Mephisto öffnet Faust die Welt, dieser traut sich nicht, ist verschüchtert

Mephistopheles.
Mein guter Freund, das wird sich alles geben;
Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben.

Faust.
Wie kommen wir denn aus dem Haus?
Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?

Mephistopheles.
2065
Wir breiten nur den Mantel aus,
Der soll uns durch die Lüfte tragen.
Du nimmst bey diesem kühnen Schritt
[127]
Nur keinen großen Bündel mit.
Ein Bißchen Feuerluft, die ich bereiten werde,
2070
Hebt uns behend von dieser Erde.
Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;
Ich gratulire dir zum neuen Lebenslauf!

Mephisto breitet den Mantel aus, sie machen sich bereit zum Fliegen

Studirzimmer.

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Faust. Mephistopheles.
Faust.
1530
Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?

Mephistopheles.
Ich bin’s.

Faust.
 Herein!

Mephistopheles.
 Du mußt es dreymal sagen.

Faust.
Herein denn!

Mephistopheles.
 So gefällst du mir.
[98]
Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen;
Denn dir die Grillen zu verjagen
1535
Bin ich, als edler Junker, hier,
In rothem goldverbrämtem Kleide,
Das Mäntelchen von starrer Seide,
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, spitzen Degen,
1540
Und rathe nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
Damit du, losgebunden, frey,
Erfahrest was das Leben sey.

Faust.
In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein
1545
Des engen Erdelebens fühlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu seyn.
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
1550
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
[99]
Nur mit Entsetzen wach’ ich Morgens auf,
1555
Ich möchte bittre Thränen weinen,
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf
Nicht Einen Wunsch erfüllen wird, nicht Einen,
Der selbst die Ahndung jeder Lust
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
1560
Die Schöpfung meiner regen Brust
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
Mich ängstlich auf das Lager strecken,
Auch da wird keine Rast geschenkt,
1565
Mich werden wilde Träume schrecken.
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen,
Der über allen meinen Kräften thront,
Er kann nach außen nichts bewegen;
1570
Und so ist mir das Daseyn eine Last,
Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.

Mephistopheles.
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.

Faust.
O seelig der! dem er im Siegesglanze
[100]
Die blut’gen Lorbeern um die Schläfe windet,
1575
Den er, nach rasch durchras’tem Tanze,
In eines Mädchens Armen findet.
O wär’ ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzückt, entseelt dahin gesunken!

Mephistopheles.
Und doch hat Jemand einen braunen Saft,
1580
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.

Faust.
Das Spioniren, scheint’s, ist deine Lust.

Mephistopheles.
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.

Faust.
Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
Ein süß bekannter Ton mich zog,
1585
Den Rest von kindlichem Gefühle
Mit Anklang froher Zeit betrog;
So fluch’ ich allem was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhöle
1590
Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!
Verflucht voraus die hohe Meinung,
[101]
Womit der Geist sich selbst umfängt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drängt!
1595
Verflucht was uns in Träumen heuchelt,
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
Verflucht was als Besitz uns schmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht sey Mammon, wenn mit Schätzen
1600
Er uns zu kühnen Thaten regt,
Wenn er zu müßigem Ergetzen
Die Polster uns zurechte legt!
Fluch sey dem Balsamsaft der Trauben!
Fluch jener höchsten Liebeshuld!
1605
Fluch sey der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
Und Fluch vor allen der Geduld!

Geisterchor unsichtbar.
     Weh! weh!
     Du hast sie zerstört,
     Die schöne Welt,
1610
     Mit mächtiger Faust,
     Sie stürzt, sie zerfällt!
     Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
[102]
     Wir tragen
     Die Trümmern ins Nichts hinüber,
1615
     Und klagen
     Ueber die verlorne Schöne.
     Mächtiger
     Der Erdensöhne,
     Prächtiger
1620
     Baue sie wieder,
     In deinem Busen baue sie auf!
     Neuen Lebenslauf
     Beginne,
     Mit hellem Sinne,
1625
     Und neue Lieder
     Tönen darauf!

Mephistopheles.
     Dies sind die kleinen
     Von den Meinen.
     Höre, wie zu Lust und Thaten
1630
     Altklug sie rathen!
     In die Welt weit,
     Aus der Einsamkeit,
[103]
     Wo Sinnen und Säfte stocken,
     Wollen sie dich locken.

1635
Hör’ auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geyer, dir am Leben frißt;
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist’s nicht gemeynt
1640
Dich unter das Pack zu stoßen.
Ich bin keiner von den Großen;
Doch willst du, mit mir vereint,
Deine Schritte durchs Leben nehmen;
So will ich mich gern bequemen,
1645
Dein zu seyn, auf der Stelle.
Ich bin dein Geselle
Und, mach ich dir’s recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!

Faust.
Und was soll ich dagegen dir erfüllen?

Mephistopheles.
1650
Dazu hast du noch eine lange Frist.
[104]
Faust.
Nein nein! der Teufel ist ein Egoist
Und thut nicht leicht um Gottes Willen
Was einem andern nützlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
1655
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.

Mephistopheles.
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben wieder finden,
So sollst du mir das Gleiche thun.

Faust.
1660
Das Drüben kann mich wenig kümmern,
Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,
Die andre mag darnach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
1665
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag was will und kann geschehn.
Davon will ich nichts weiter hören,
Ob man auch künftig haßt und liebt,
[105]
Und ob es auch in jenen Sphären
1670
Ein Oben oder Unten giebt.

Mephistopheles.
In diesem Sinne kannst du’s wagen.
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
Mit Freuden meine Künste sehn,
Ich gebe dir was noch kein Mensch gesehn.

Faust.
1675
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von deines Gleichen je gefaßt?
Doch hast du Speise die nicht sättigt, hast
Du rothes Gold, das ohne Rast,
1680
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bey dem man nie gewinnt,
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Aeugeln schon dem Nachbar sich verbindet,
Der Ehre schöne Götterlust,
1685
Die, wie ein Meteor, verschwindet.
Zeig mir die Frucht die fault, eh’ man sie bricht,
Und Bäume die sich täglich neu begrünen!
[106]
Mephistopheles.
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
1690
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran
Wo wir was Gut’s in Ruhe schmausen mögen.

Faust.
Werd’ ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sey es gleich um mich gethan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
1695
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen;
Das sey für mich der letzte Tag!
Die Wette biet’ ich!

Mephistopheles.
 Top!

Faust.
 Und Schlag auf Schlag!
Werd’ ich zum Augenblicke sagen:
1700
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zu Grunde gehn!
Dann mag die Todtenglocke schallen,
[107]
Dann bist du deines Dienstes frey,
1705
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sey die Zeit für mich vorbey!

Mephistopheles.
Bedenk’ es wohl, wir werden’s nicht vergessen.

Faust.
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
1710
Wie ich beharre bin ich Knecht,
Ob dein, was frag’ ich, oder wessen.

Mephistopheles.
Ich werde heute gleich, beym Doctorschmaus,
Als Diener, meine Pflicht erfüllen.
Nur eins! – um Lebens oder Sterbens willen,
1715
Bitt’ ich mir ein paar Zeilen aus.

Faust.
Auch was geschriebnes forderst du Pedant?
Hast du noch keinen Mann, nicht Mannes-Wort gekannt?
Ist’s nicht genug, daß mein gesprochnes Wort
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
1720
Ras’t nicht die Welt in allen Strömen fort,
Und mich soll ein Versprechen halten?
[108]
Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,
Wer mag sich gern davon befreyen?
Beglückt, wer Treue rein im Busen trägt,
1725
Kein Opfer wird ihn je gereuen!
Allein ein Pergament, beschrieben und beprägt,
Ist ein Gespenst vor dem sich alle scheuen.
Das Wort erstirbt schon in der Feder,
Die Herrschaft führen Wachs und Leder.
1730
Was willst du böser Geist von mir?
Erz, Marmor, Pergament, Papier?
Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?
Ich gebe jede Wahl dir frey.

Mephistopheles.
Wie magst du deine Rednerey
1735
Nur gleich so hitzig übertreiben?
Ist doch ein jedes Blättchen gut.
Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.

Faust.
Wenn dieß dir völlig G’nüge thut,
So mag es bey der Fratze bleiben.

Mephistopheles.
1740
Blut ist ein ganz besondrer Saft.
[109]
Faust.
Nur keine Furcht, daß ich dieß Bündniß breche!
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist g’rade das was ich verspreche.
Ich habe mich zu hoch gebläht,
1745
In deinen Rang gehör’ ich nur.
Der große Geist hat mich verschmäht,
Vor mir verschließt sich die Natur.
Des Denkens Faden ist zerrissen,
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
1750
Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns glühende Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhüllen
Sey jedes Wunder gleich bereit!
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit
1755
In’s Rollen der Begebenheit!
Da mag denn Schmerz und Genuß,
Gelingen und Verdruß,
Mit einander wechseln wie es kann;
Nur rastlos bethätigt sich der Mann.

Mephistopheles.
1760
Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt.
[110]
Beliebt’s euch überall zu naschen,
Im Fliehen etwas zu erhaschen;
Bekomm’ euch wohl was euch ergetzt.
Nur greift mir zu und seyd nicht blöde!

Faust.
1765
Du hörest ja, von Freud’ ist nicht die Rede.
Dem Taumel weih’ ich mich, dem schmerzlichsten Genuß,
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,
1770
Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst genießen,
Mit meinem Geist das Höchst’ und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
1775
Und, wie sie selbst, am End’ auch ich zerscheitern.

Mephistopheles.
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut,
Daß von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
1780
Glaub’ unser einem, dieses Ganze
[111]
Ist nur für einen Gott gemacht!
Er findet sich in einem ew’gen Glanze,
Uns hat er in die Finsterniß gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.

Faust.
1785
Allein ich will!

Mephistopheles.
 Das läßt sich hören!
Doch nur vor Einem ist mir bang’;
Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.
Ich dächt’, ihr ließet euch belehren.
Associirt euch mit einem Poeten,
1790
Laßt den Herrn in Gedanken schweifen,
Und alle edlen Qualitäten
Auf euren Ehren-Scheitel häufen,
Des Löwen Muth,
Des Hirsches Schnelligkeit,
1795
Des Italiäners feurig Blut,
Des Nordens Dau’rbarkeit.
Laßt ihn euch das Geheimniß finden,
Großmuth und Arglist zu verbinden,
Und euch, mit warmen Jugendtrieben,
[112]
1800
Nach einem Plane, zu verlieben.
Möchte selbst solch einen Herren kennen,
Würd’ ihn Herrn Mikrokosmus nennen.

Faust.
Was bin ich denn? wenn es nicht möglich ist
Der Menschheit Krone zu erringen,
1805
Nach der sich alle Sinne dringen.

Mephistopheles.
Du bist am Ende – was du bist.
Setz’ dir Perrücken auf von Millionen Locken,
Setz’ deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer was du bist.

Faust.
1810
Ich fühl’s, vergebens hab’ ich alle Schätze
Des Menschengeist’s auf mich herbeygerafft,
Und wenn ich mich am Ende niedersetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
Ich bin nicht um ein Haar breit höher,
1815
Bin dem Unendlichen nicht näher.

Mephistopheles.
Mein guter Herr, ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
[113]
Wir müssen das gescheidter machen,
Eh’ uns des Lebens Freude flieht.
1820
Was Henker! freylich Händ’ und Füße
Und Kopf und H – –[3] die sind dein;
Doch alles was ich frisch genieße,
Ist das drum weniger mein?
Wenn ich sechs Hengste zahlen kann,
1825
Sind ihre Kräfte nicht die meine?
Ich renne zu und bin ein rechter Mann,
Als hätt’ ich vier und zwanzig Beine.
Drum frisch! laß alles Sinnen seyn,
Und g’rad’ mit in die Welt hinein!
1830
Ich sag’ es dir: ein Kerl der speculirt,
Ist wie ein Thier, auf dürrer Heide
Von einem bösen Geist im Kreis herum geführt,
Und rings umher liegt schöne grüne Weide.

Faust.
Wie fangen wir das an?

Mephistopheles.
 Wir gehen eben fort.
1835
Was ist das für ein Marterort?
Was heißt das für ein Leben führen,
[114]
Sich und die Jungens ennuyiren?
Laß du das dem Herrn Nachbar Wanst!
Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?
1840
Das beste, was du wissen kannst,
Darfst du den Buben doch nicht sagen.
Gleich hör’ ich einen auf dem Gange!

Faust.
Mir ist’s nicht möglich ihn zu sehn.

Mephistopheles.
Der arme Knabe wartet lange,
1845
Der darf nicht ungetröstet gehn.
Komm, gib mir deinen Rock und Mütze;
Die Maske muß mir köstlich stehn.
Er kleidet sich um.
Nun überlaß es meinem Witze!
Ich brauche nur ein Viertelstündchen Zeit;
1850
Indessen mache dich zur schönen Fahrt bereit!
Faust ab.
Mephistopheles
in Faust’s langem Kleide.
Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
[115]
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
1855
So hab’ ich dich schon unbedingt –
Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
Und dessen übereiltes Streben
Der Erde Freuden überspringt.
1860
Den schlepp’ ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis’ und Trank vor gier’gen Lippen schweben;
1865
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
Und hätt’ er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müßte doch zu Grunde gehn!
Ein Schüler tritt auf.
Schüler.
Ich bin alhier erst kurze Zeit,
Und komme voll Ergebenheit,
1870
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,
Den alle mir mit Ehrfucht nennen.
[116]
Mephistopheles.
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt ihr euch sonst schon umgethan?

Schüler.
1875
Ich bitt’ euch, nehmt euch meiner an!
Ich komme mit allem guten Muth,
Leidlichem Geld und frischem Blut;
Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;
Möchte gern’ was rechts hieraußen lernen.

Mephistopheles.
1880
Da seyd ihr eben recht am Ort.

Schüler.
Aufrichtig, möchte schon wieder fort:
In diesen Mauern, diesen Hallen,
Will es mir keineswegs gefallen.
Es ist ein gar beschränkter Raum,
1885
Man sieht nichts Grünes, keinen Baum,
Und in den Sälen, auf den Bänken,
Vergeht mir Hören, Seh’n und Denken.

Mephistopheles.
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
[117]
So nimmt ein Kind der Mutter Brust
1890
Nicht gleich im Anfang willig an,
Doch bald ernährt es sich mit Lust.
So wird’s euch an der Weisheit Brüsten
Mit jedem Tage mehr gelüsten.

Schüler.
An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;
1895
Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen?

Mephistopheles.
Erklärt euch, eh’ ihr weiter geht,
Was wählt ihr für eine Facultät?

Schüler.
Ich wünschte recht gelehrt zu werden,
Und möchte gern, was auf der Erden
1900
Und in dem Himmel ist, erfassen,
Die Wissenschaft und die Natur.

Mephistopheles.
Da seyd ihr auf der rechten Spur;
Doch müßt ihr euch nicht zerstreuen lassen.

Schüler.
Ich bin dabey mit Seel’ und Leib;
1905
Doch freylich würde mir behagen
[118]
Ein wenig Freyheit und Zeitvertreib,
An schönen Sommerfeiertagen.

Mephistopheles.
Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
Doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen.
1910
Mein theurer Freund, ich rath’ euch drum
Zuerst Collegium Logicum.
Da wird der Geist euch wohl dressirt,
In spanische Stiefeln eingeschnürt,
Daß er bedächtiger so fort an
1915
Hinschleiche die Gedankenbahn,
Und nicht etwa, die Kreuz’ und Quer,
Irlichtelire hin und her.
Dann lehret man euch manchen Tag,
Daß, was ihr sonst auf einen Schlag
1920
Getrieben, wie Essen und Trinken frey,
Eins! Zwey! Drey! dazu nöthig sey.
Zwar ist’s mit der Gedanken-Fabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstück,
Wo Ein Tritt tausend Fäden regt,
1925
Die Schifflein herüber hinüber schießen,
Die Fäden ungesehen fließen,
[119]
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt:
Der Philosoph der tritt herein,
Und beweis’t euch, es müßt’ so seyn:
1930
Das Erst’ wär’ so, das Zweyte so,
Und drum das Dritt’ und Vierte so;
Und wenn das Erst’ und Zweyt’ nicht wär’,
Das Dritt’ und Viert’ wär’ nimmermehr.
Das preisen die Schüler allerorten,
1935
Sind aber keine Weber geworden.
Wer will was lebendig’s erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
Dann hat er die Theile in seiner Hand,
Fehlt leider! nur das geistige Band.
1940
Encheiresin naturae nennt’s die Chimie,
Spottet ihrer selbst und weiß nicht wie.

Schüler.
Kann euch nicht eben ganz verstehen.

Mephistopheles.
Das wird nächstens schon besser gehen,
Wenn ihr lernt alles reduciren
1945
Und gehörig klassificiren.
[120]
Schüler.
Mir wird von alle dem so dumm,
Als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum.

Mephistopheles.
Nachher vor allen andern Sachen
Müßt ihr euch an die Metaphysik machen!
1950
Da seht, daß ihr tiefsinnig faßt,
Was in des Menschen Hirn nicht paßt;
Für, was drein geht und nicht drein geht,
Ein prächtig Wort zu Diensten steht.
Doch vorerst dieses halbe Jahr
1955
Nehmt ja der besten Ordnung wahr.
Fünf Stunden habt ihr jeden Tag;
Seyd drinnen mit dem Glockenschlag!
Habt euch vorher wohl präparirt,
Paragraphos wohl einstudirt,
1960
Damit ihr nachher besser seht,
Daß er nichts sagt, als was im Buche steht;
Doch euch des Schreibens ja befleißt,
Als dictirt’ euch der Heilig’ Geist!

Schüler.
Das sollt ihr mir nicht zweymal sagen!
[121]
1965
Ich denke mir wie viel es nützt;
Denn, was man schwarz auf weiß besitzt,
Kann man getrost nach Hause tragen.

Mephistopheles.
Doch wählt mir eine Facultät!

Schüler.
Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.

Mephistopheles.
1970
Ich kann es euch so sehr nicht übel nehmen,
Ich weiß wie es um diese Lehre steht.
Es erben sich Gesetz’ und Rechte
Wie eine ew’ge Krankheit fort,
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
1975
Und rücken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohlthat Plage;
Weh dir, daß du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist leider! nie die Frage.

Schüler.
1980
Mein Abscheu wird durch euch vermehrt.
O glücklich der! den ihr belehrt!
Fast möcht’ ich nun Theologie studiren.
[122]
Mephistopheles.
Ich wünschte nicht euch irre zu führen.
Was diese Wissenschaft betrifft,
1985
Es ist so schwer den falschen Weg zu meiden,
Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,
Und von der Arzeney ists kaum zu unterscheiden.
Am besten ist’s auch hier, wenn ihr nur Einen hört,
Und auf des Meisters Worte schwört.
1990
Im Ganzen – haltet euch an Worte!
Dann geht ihr durch die sichre Pforte
Zum Tempel der Gewißheit ein.

Schüler.
Doch ein Begriff muß bey dem Worte seyn.

Mephistopheles.
Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen;
1995
Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt sich trefflich glauben,
2000
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.
[123]
Schüler.
Verzeiht, ich halt’ euch auf mit vielen Fragen,
Allein ich muß euch noch bemüh’n.
Wollt ihr mir von der Medicin
Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?
2005
Drey Jahr’ ist eine kurze Zeit,
Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.
Wenn man einen Fingerzeig nur hat,
Läßt sich’s schon eher weiter fühlen.

Mephistopheles für sich.
Ich bin des trocknen Tons nun satt,
2010
Muß wieder recht den Teufel spielen.
Laut.
Der Geist der Medicin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudirt die groß’ und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie’s Gott gefällt.
2015
Vergebens daß ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.
Ihr seyd noch ziemlich wohlgebaut,
[124]
2020
An Kühnheit wird’s euch auch nicht fehlen,
Und wenn ihr euch nur selbst vertraut,
Vertrauen euch die andern Seelen.
Besonders lernt die Weiber führen;
Es ist ihr ewig Weh und Ach
2025
So tausendfach
Aus Einem Puncte zu curiren,
Und wenn ihr halbweg ehrbar thut,
Dann habt ihr sie all’ unter’m Hut.
Ein Titel muß sie erst vertraulich machen,
2030
Daß Eure Kunst viel Künste übersteigt;
Zum Willkomm’ tappt ihr dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht,
Versteht das Pülslein wohl zu drücken,
Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,
2035
Wohl um die schlanke Hüfte frey,
Zu seh’n, wie fest geschnürt sie sey.

Schüler.
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch wo und wie.

Mephistopheles.
Grau, theurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldner Baum.
[125]
Schüler.
2040
Ich schwör euch zu, mir ist’s als wie ein Traum.
Dürft’ ich euch wohl ein andermal beschweren,
Von eurer Weisheit auf den Grund zu hören?

Mephistopheles.
Was ich vermag, soll gern geschehn.

Schüler.
Ich kann unmöglich wieder gehn,
2045
Ich muß euch noch mein Stammbuch überreichen,
Gönn’ Eure Gunst mir dieses Zeichen!

Mephistopheles.
Sehr wohl.
Er schreibt und giebt’s.
Schüler lies’t.
Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.
Macht’s ehrerbietig zu und empfiehlt sich.
Mephistopheles.
Folg’ nur dem alten Spruch und meiner Muhme der Schlange,
2050
Dir wird gewiß einmal bey deiner Gottähnlichkeit bange!
Faust tritt auf.
Faust.
Wohin soll es nun gehn?
[126]
Mephistopheles.
 Wohin es dir gefällt.
Wir sehn die kleine, dann die große Welt.
Mit welcher Freude, welchem Nutzen,
Wirst du den Cursum durchschmarutzen!

Faust.
2055
Allein bey meinem langen Bart
Fehlt mir die leichte Lebensart.
Es wird mir der Versuch nicht glücken;
Ich wußte nie mich in die Welt zu schicken,
Vor andern fühl’ ich mich so klein;
2060
Ich werde stets verlegen seyn.

Mephistopheles.
Mein guter Freund, das wird sich alles geben;
Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben.

Faust.
Wie kommen wir denn aus dem Haus?
Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?

Mephistopheles.
2065
Wir breiten nur den Mantel aus,
Der soll uns durch die Lüfte tragen.
Du nimmst bey diesem kühnen Schritt
[127]
Nur keinen großen Bündel mit.
Ein Bißchen Feuerluft, die ich bereiten werde,
2070
Hebt uns behend von dieser Erde.
Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;
Ich gratulire dir zum neuen Lebenslauf!

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